06.05.2021

Freiwilligenarbeit | Nachhaltigkeit

Engagiert: Martina Hirayama, Staatssekretärin für Bildung, Forschung, und Innovation

Sie kennt jede Menge talentierte Jugendliche: Von Lernenden, die mit Begeisterung einen Beruf erlernen bis hin zu engagierten GymnasiastInnen und Studierenden. Martina Hirayama arbeitet beim Bund dafür, dass die Rahmenbedingungen passen, damit junge Menschen gefördert werden.
Martina Hirayama, Staatssekretärin für Bildung, Forschung und Innovation

Bilder und Video: Claudia Christen

Frau Hirayama: Wie sieht ein typischer Arbeitstag als Staatssekretärin aus?

Kein Tag ist wie der andere. Heute zum Beispiel werde ich den Tag beenden, indem ich ein Bundesratsgeschäft vorbereite. Und morgen Abend tausche ich mich mit der Forschungsministerin des Vereinigten Königreichs aus. Sie sehen: Meine Aufgaben sind vielfältig, das macht meine Arbeit spannend. 

 

Warum interessiert sich der Bund überhaupt für die Förderung von Jugendlichen, die wissenschaftlich interessiert und begabt sind?

Bildung, Forschung und Innovation lebt von Menschen: Der Nachwuchs ist hier wesentlich. Die jungen Menschen werden in Zukunft mit ihrem Wissen, das sehr vielfältig ist und sein muss, unser Land prägen und gestalten. In dem Sinne kann man eigentlich gar nicht früh genug Interessen und Talente in alle Richtungen und auf allen Ebenen fördern. Hinzu kommt: In vielen Bereichen herrscht Fachkräftemangel, wir brauchen dringend talentierte Nachwuchskräfte. Weil wir international gut vernetzt sind, können wir Talente aus dem Ausland holen. Aber die eigenen Talente zu fördern, ist ebenso wichtig. Deshalb unterstützt der Bund Initiativen, die das Interesse an Forschung früh fördern.

 

 

“Junge Menschen wollen etwas verändern, haben etwas zu sagen - und nutzen dafür ihre Freizeit.”

 

 

Begabungsförderung ist in der Bildungspolitik ein Thema, aber auch in den Gymnasien. Es gibt das Argument, dass es dort gar keine Begabungsförderung brauche, weil die Gymnasien an sich schon eine Elite fördern. Was sagen Sie dazu? 

Das ist ein Argument, das wenig mit der Realität zu tun hat. Erstens bin ich der Meinung, dass Begabte oder die sogenannte «Elite» bei weitem nicht nur am Gymnasium zu finden sind. Wir haben ganz, ganz viele talentierte junge Menschen, die den Weg der Berufsbildung gehen – rund zwei Drittel der Jugendlichen entscheiden sich dafür. Auch der Umkehrschluss, dass alle, die ans Gymnasium gehen, super talentiert sind und zur Elite gehören, stimmt so nicht und ist nicht mit unserem System kompatibel. 

Unser Bildungssystem ist unter anderem deswegen erfolgreich, weil junge Menschen verschiedene Wege wählen können, je nach Interessen und Begabungen. Diese Wege sind immer gleichwertig, aber anders – das zu betonen ist mir wichtig. Auch die Durchlässigkeit ist ein grundlegender Erfolgsfaktor unseres Systems. Mit 15 Jahren muss man sich nicht für einen Weg entscheiden, auf dem man ein Leben lang bleiben muss. Von der Berufsbildung gelangt man über die Berufsmaturität an eine Hochschule. Oder man kann nach der gymnasialen Maturität eine Lehre in Angriff nehmen. 

 

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Wissenschaftlerin, Unternehmerin und jetzt Staatssekretärin: Martina Hirayama gibt jungen Talenten im Video einen Tipp für ihren Berufsweg.

 

Sie selber sind ein Beispiel dafür, dass man als Wissenschaftlerin auch Unternehmerin oder Staatssekretärin werden kann. Hilft Ihnen der Hintergrund aus der Wissenschaft bei der Arbeit als Staatssekretärin?

Ja, mein Berufsweg ist wichtig für meine Arbeit beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation. Für die Leitung anderer Staatssekretariate wäre ich nicht vorbereitet. Ich habe studiert und an der ETH geforscht, dann ein Start-Up gegründet und an der Fachhochschule neben der anwendungsorientierten Forschung auch die Berufsbildung kennengelernt. Bei Innosuisse habe ich mich mit Innovationsförderung beschäftigt, beim SNF mit den Anliegen der Grundlagenforschung. Ich kenne das BFI-System mit seinen Stärken und Herausforderungen sehr gut und kann die Anliegen der unterschiedlichen Akteure nachvollziehen. Dank dieser Erfahrung fällt es mir manchmal auch ein bisschen leichter einzuschätzen, was jetzt wirklich wichtig ist und was «nice to have».  

 

Sprechen wir von zwei Talenten aus dem Umfeld der Wissenschafts-Olympiade: Da wäre Nitya Rajan, Gymnasiastin, Gewinnerin der Philosophie-Olympiade und Co-Präsidentin eines Vereins für Nachhaltigkeit. Oder Joel Lüthi, Biologiestudent, der von der Studienstiftung gefördert wird und sich mit Reatch für gute Wissenschafts-Kommunikation einsetzt. Was sagen diese beiden Beispiele Ihrer Meinung nach über die Talente von heute aus?

Nitya und Joel engagieren sich für hochaktuelle Themen. Der Klimawandel wird uns noch viele Jahre beschäftigen. Spannend finde ich, wie einzelne, engagierte Menschen Themen prägen können, denken wir nur an Greta Thunberg. Wissenschaftskommunikation ist auch ein wichtiges Thema. Forschende haben ja oft hervorragende Ideen und entwickeln spannende Sachen. Aber das dann der Öffentlichkeit verständlich zu erklären, das ist nochmal ein anderes Talent. Die Corona-Krise zeigt unter anderem auch, dass es bei der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Politik Verbesserungspotential gibt.

Nitya und Joel zeigen auch, dass junge Menschen sich mit grossem Engagement einsetzen für unsere Gesellschaft. Dass sie etwas verändern wollen, etwas zu sagen haben und dafür ihre Freizeit nutzen. Ich finde, es ist für jede Gesellschaft wichtig, dass sie auf Menschen – in jedem Alter, nicht nur Junge –  zählen kann, die sich für eine Sache engagieren. Ich bin der Meinung, dass sich Engagement in einer ehrenamtlichen Tätigkeit besonders ausgeprägt zeigt. 

 

 


“Die Berufsbildung und die gymnasiale Maturität haben denselben Wert. Sie sind anders, aber gleichwertig. Das ist mir wichtig.”

 

 

Kann der Bund Initiativen wie jene von Nitya und Joel noch besser unterstützen?

Der Bund will Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, sich zu engagieren und sich entsprechend einzubringen. In der Schweiz ist die Buttom-Up-Kultur extrem ausgeprägt, auch in der Bildungs-, Forschungs-, und Innovationsförderung. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern: Dort wird oft stärker top-down gesteuert. Für den Bund ist es wichtig, dass man ein paar Initiativen fördert und in diesen Initiativen auch Bottom-Up-Aktivitäten unterstützt und damit eine gewisse Vielfalt ermöglicht. Es wäre wahrscheinlich nicht zielführend, wenn der Bund sehr spezifische Einzel-Initiativen fördern würde.

 

In der Leistungsvereinbarung regt der Bund unsere Initiativen an, digital, nachhaltig und chancengerecht unterwegs zu sein. Warum finden Sie Digitalisierung wichtig?

Die Digitalisierung ist Herausforderung und Chance zugleich. Ich denke, sie bietet ganz viele Chancen für die Zukunft, wenn man es denn auf gute Weise anpackt. Wir haben im Zuge der Corona-Krise einen enormen digitalen Schub erlebt. Praktisch über Nacht mussten wir unsere Lehr- und Lernformen verändern. Ich finde es wichtig, dass wir die positiven Dinge, die wir in dieser Zeit gelernt haben, auch in die Zukunft mitnehmen können. Digitalisierung passiert nicht von alleine. Man muss sich fragen: Wie gestaltet man Dinge, wenn man sie digital macht? Ich glaube, der grösste Fehler, den man machen kann, ist, die analoge Handhabung eins zu eins ins Digitale zu übertragen. 

 

 

“Man muss schon sehen: Verständnis entsteht, wenn man sich direkt und informell austauscht. Dies gilt auch für den internationalen Austausch.” 

 

 

Der Bund regt uns an, nachhaltig zu wirtschaften, gleichzeitig leben die Wissenschafts-Olympiaden vom internationalen Austausch und CO₂-lastigen Reisen. Sehen Sie hier einen Widerspruch?

Wenn man die Nachhaltigkeit nur auf den ökologischen Aspekt bezieht, dann gibt es sicher einen gewissen Widerspruch. Ich bin überzeugt, dass die Corona-Krise hier einiges verändert. Man hat gelernt, dass es nach wie vor wichtig ist, sich zu treffen, aber dass man vieles auch anders machen kann. Man wird sich in Zukunft genauer überlegen: Welches sind die Formate, bei denen man gemeinsam am Tisch sitzen und diskutieren muss? Ich denke, das wird sich auf die Reisetätigkeit auch am SBFI auswirken. Wir merken gut, dass der Informationsaustausch wunderbar funktioniert über Skype, Teams, etc. Aber wenn es darum geht, Ideen zu entwickeln und kreativ zu sein oder in kritischen Fragen Lösungen zu finden, dann ist es wichtig, dass man sich sieht, austauscht, intensiv diskutiert. Ich glaube, diese Triage wird in Zukunft anders funktionieren.

 

Betreffend internationalem Austausch muss man aber schon auch sehen: Das Verständnis, das man gewinnt füreinander, wenn man sich direkt und informell austauscht, ist sehr wichtig. Nehmen wir mal die Polarforschung, die extrem wichtig ist, auch im Kontext des Klimawandels. Wenn die Polarforscherinnen und -forscher aus Japan, aus den USA und Europa sich zusammensetzen, über die Herausforderungen diskutieren und Lösungsansätze entwickeln, dann kann das insgesamt sehr viel bringen. Auch wenn man mit der Reise sicher nichts Gutes für das Klima getan hat.

 

 

Unterstützung der Talentförderung durch den Bund: Im Rahmen der Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation 2021-2024 unterstützt der Bund die internationale Talentförderung in Wissenschaft und Technik. Unter anderem werden die Wissenschaft-Olympiade, Schweizer Jugend forscht und die Schweizerische Studienstiftung gefördert. Die Wissenschafts-Olympiade wird mit einem durchschnittlichen Jahresbeitrag von CHF 400’000 unterstützt. 

 

Interview: Lara Gafner (l.gafner(at)olympiad.ch) und Mirjam Sager (m.sager(at)olympiad.ch), Kommunikationsbeauftragte der Wissenschafts-Olympiade

 

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