02.11.2023

Wissen

Lernen von Ted Turlings und Lesya Shchutska

Am 30. Oktober nahmen 17 Teilnehmer*innen der beiden Förderangebote am Workshop mit den Preisträgern des Benoist & Latsis Preises teil. Prof. Ted Turlings erhielt den Wissenschafts-Preis für seine Arbeiten im Bereich der chemischen Ökologie. Prof. Lesya Shchutska wurde für ihre Forschungen im Bereich der Elementarteilchenphysik ausgezeichnet.

Die Teilnehmer*innen, die Wissenschaftler*innen und das Organisationskomitee des Workshops. Bild: Marianne Begré, SJf

Bereits zum vierten Mal in Folge genossen die Jugendlichen der Wissenschafts-Olympiade und von Schweizer Jugend forscht einen Workshop mit renommierten Wissenschaftler*innen. Dies auf Initiative der Marcel-Benoist-Stiftung, die die Schweizer Wissenschafts-Preise jährlich verleiht. Die Veranstaltung fand im Schweizerhof in Bern statt, moderiert hat das Think Tank Reatch.

Passend zu den Preisträgern, bildeten die Jugendlichen zu Beginn zwei Gruppen: die "Neutrinos" und die "Moleküle". Sie tauschten sich in Paaren aus, um sich kennenzulernen und um Fragen an Prof. Turlings und Prof. Shchutska vorzubereiten. Die Gruppe sah sich Videos an, die die preisgekrönten Arbeiten zusammenfassten, und konnte so neue Fragen zur Biologie, zur Physik und zum Beruf Forscher*in formulieren. Unter anderem wollten sie wissen, woher Wissenschaftler*innen die Kreativität für ihre Studien nehmen, was die wichtigsten Learnings in ihrer Karriere sind und warum sie eine Maisart (es war Zufall) und schwere Neutrinos (weil schwer zu finden) als Arbeitselemente gewählt hatten.

Nach der Pause führten Prof. Didier Queloz (Präsident der Marcel-Benoist-Stiftung und Nobelpreisträger für Physik) und Prof. Yves Flückiger (Präsident der Latsis-Stiftung und Rektor der Universität Genf) kurz in den Workshop ein. Sie ermutigten  die Jugendlichen, den Austausch in den Kleingruppen zu nutzen und motivierten sie, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben. Die "Neutrinos" und "Moleküle" verteilten sich auf zwei Räume und vertieften sich im Gespräch mit den beiden Wissenschaftlern.

 

Pflanzen verstehen, um Hungersnöte zu bekämpfen

Die Forschung von Prof. Turlings hilft zu verstehen, welche Rolle die chemischen Signalen spielen, die zwischen Pflanzen- und Tierarten hin und her gehen. Bestimmte Maisarten, die mit dem Speichel von Schädlingen in Kontakt kommen, senden Pheromone aus. Das sind chemische Signale, die andere Insekten oder Parasiten anlocken. Diese wiederum sollen den Schädling töten. Zum Beispiel, indem sie Eier legen oder sich von ihm ernähren.

Während der Fragerunde hob Prof. Turlings hervor, wie diese Erkenntnisse den Einsatz von Pestiziden reduzieren können: Sensoren an Traktoren könnten helfen, die Schädlinge genau zu lokalisieren und nur dort Gas zu sprühen. Entwickelt wird aktuell auch ein Gel mit chemischen Eigenschaften, die von lokalen Insekten oder Schädlingen stammen, um Schädlinge davon abzuhalten, den Mais anzugreifen. Dieses Gel könnte mit grossen Spritzen auf die Pflanzen aufgetragen werden. Die Biodiversität würde nicht beeinträchtigt. Die Kosten für die Geräte stellen ein Hindernis für die Umsetzung dar. Turlings ist zurzeit in Gesprächen mit einem Unternehmen, um den Preis der Maschinen zu senken. Dieses Projekt würde es jungen Landwirtinnen und Landwirten in Afrika ermöglichen, das Gel zu produzieren. Die Verarbeitungsdienstleistung könnten sie verkaufen und so zu neuen Einkommensquellen in diesem Sektor kommen. Einem Sektor, der durch die Invasion der Herbstlegionärsraupe im Jahr 2016 in die Knie gezwungen wurde. Die Herbstlegionärsraupe ist ein Schädling, der für die Hungersnot südlich der Sahara mitverantwortlich ist.

Prof. Turlings Rat an die Jugendlichen: Immer alle Optionen erkunden, bis sie etwas finden, das sie interessiert. Und sich dann solange damit beschäftigen, bis sie es verstehen. Andernfalls wäre es ihm nicht möglich gewesen, die chemischen Signale, die zwischen den Arten gesendet werden, zu isolieren und schliesslich zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft beizutragen.

 

Von der Schönheit der Schwerkraft zu den Lücken des Standardmodells

Prof. Lesya Shchutska ist Physikerin an der EPFL. Sie befasst sich mit dem Nachweis von schweren Neutrinos. Die Teilchen sind nur mit Mühe zu erfassen, weil sie nur sehr schwach mit den bekannten Teilchen wechselwirken. Schwere Neutrinos könnten Beobachtungen erklären, für die das Standardmodell noch keine Erklärungen liefert. Sprich, sie könnten das Modell vervollständigen.

Eine große Herausforderung in diesem Feld ist, dass es keine Hinweise darauf gibt, in welche Richtung die Forschung gehen soll, was die Arbeit ebenso herausfordernd wie anstrengend macht. Lesya Shchutska geht unermüdlich voran, testet Hypothesen und nutzt die Messinstrumente, die sie und andere Teams ständig weiterentwickeln. Sie erwartet, dass das Wissen über die Dunkle Materie in Kürze grosse Fortschritte machen wird.

Die Forscherin berichtete auch über ihren Weg von der Ukraine nach Russland und dann nach Lausanne, wo sie stets von dem Wunsch getrieben wurde, Physik zu studieren. Für sie ist Physik eine "universelle Sprache". Sie ermutigt junge Menschen, sich mit dem zu beschäftigen, was sie interessiert. Denn es gibt immer etwas zu erklären, vor allem jetzt, da die Disziplinen so breit geworden sind, dass sie sich gegenseitig durchdringen. Es gehe in jeder Phase darum, "Möglichkeiten zu denken".

Beide Forschende betonten, dass die Schweizer Wissenschafts-Preise eine Anerkennung sind, die ihren Studienbereichen und allen, die darin arbeiten, geboten wird.

 

6 Dinge, die die Jugendlichen gelernt haben

Zum Schluss tauschten die Teilnehmer*innen ihre Eindrücke aus. Die Jugendlichen schätzten, wie einfach und gut die Forschenden ihre Arbeit erklärten. Was sie am meisten beeindruckte, war das Menschliche an der Forschung: wie Zusammenarbeit gelingt; wie Ideen im Austausch entstehen; wie fehlende Ergebnisse auch zu Wissen beitragen, weil Hypothesen verworfen werden müssen; wie Glück und Gefühle eine unvermeidliche Rolle in der wissenschaftlichen Karriere spielen; wie ganz praktische Aspekte die Forschungsarbeit beeinflussen (Budget, Instrumente, Genehmigungen). Und, was am wichtigsten ist: Dass man lernen muss, Chancen zu erkennen und zu nutzen.

Als der Tag sich dem Ende zuneigte, machte sich die Gruppe auf den Weg zum Rathaus, wo die offizielle Verleihung der Wissenschafts-Preise in Anwesenheit von Bundesrat Guy Parmelin stattfand. 

 

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