Let’s talk: Haben die Wissenschafts-Olympiaden einen Röstigraben?
Teilnehmende aus der Romandie sind bei der Wissenschafts-Olympiade unterrepräsentiert. Diese Aussage werden wohl viele von euch schon einmal gehört haben. Doch gilt sie für alle Olympiaden gleichermassen? Sind einige der französischsprachigen Kantone stärker vertreten als andere? Und vor allem: Warum ist das so und wie können wir es ändern?
Umfragen unter den Freiwilligen der Wissenschafts-Olympiade zeigen, dass die Mehrheit von ihnen deutschsprachig ist.
Sprechen Sie Französisch ?
Wir befinden uns an der Universität Bern. Es ist Juni 2021, und Xénia Villiers hat vor kurzem angefangen, als Romandie-Verantwortliche der Wissenschafts-Olympiade zu arbeiten. Bald erfährt sie, dass noch keine Olympiade einen Anteil von französischsprachigen Teilnehmenden erreicht hat, der die Sprachverteilung im Land widerspiegelt. 22,8% der Schweizerinnen und Schweizer sprechen Französisch (BfS 2021).
Für eine landesweite Organisation, die sich der Chancengleichheit verschrieben hat, ist dies ein Problem. Jugendliche aus allen Sprachregionen sollen gleichermassen von unserem Förderangebot profitieren können. Wenige Teilnehmende aus der Romandie bedeutet auch weniger sprachliche und kulturelle Vielfalt, was unserer Mission zuwiderläuft: jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, Gleichgesinnte aus der ganzen Schweiz zu treffen.
Also setzten wir uns zum Ziel, die Sichtbarkeit der Olympiade in der Westschweiz zu erhöhen. Doch bevor wir Massnahmen ergreifen, müssen wir uns erstmal einen Überblick verschaffen. Mit welchem Kanton fangen wir an? Sind alle Olympiaden in gleicher Weise von diesem Problem betroffen? Wir brauchten Zahlen. Fakten. Deshalb haben wir eine Umfrage über die Teilnehmenden der ersten Runden zwischen 2018 und 2021 durchgeführt.
Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Deutschsprachigen nur bei der Mathematik-Olympiade unterrepräsentiert sind. Während sie auf nationaler Ebene 70.9 % der Schweizerinnen und Schweizer ausmachen, sind es bei der Mathematik-Olympiade nur 66.5%. Die Westschweizerinnen und Westschweizer machen währenddessen ganze 22% der Teilnehmenden aus. Zusammen mit der Mathematik-Olympiade schaffen es auch die Physik- und die Philosophie-Olympiade in die Top 3 der französischsprachigsten Olympiaden.
Was haben sie gemeinsam? Das ist schwer zu sagen. Die Mathematik- und die Physikolympiade sind sehr bekannt und bestehen schon seit vielen Jahren (1991 und 1995). Stéphanie, die Vizepräsidentin der Philosophie-Olympiade, kommt aus der Romandie und engagiert sich in ihrer Region für die Olympiade.
Stéphanie aus Genf ist die Vizepräsidentin der Philosophie-Olympiade
Ein helvetisches Rätsel
Bevor wir mit dieser Untersuchung begannen, war unsere erste Hypothese zur Erklärung unseres Romandie-Defizits die Dominanz der deutschen Sprache. Die Sprache Goethes kann für Jugendliche, die sie noch nicht perfekt beherrschen, beängstigend und abschreckend wirken.
Jedoch stellt sich heraus: Bei der Geographie- und der Wirtschafts-Olympiade gibt es so gut wie gar keine französischsprachigen Teilnehmenden. Dies, obwohl die Arbeitssprache dieser beiden Olympiaden nicht Deutsch, sondern Englisch ist.
Let's talk. Die Wissenschafts-Olympiade bringt junge Menschen aus allen Ecken der Schweiz zusammen. Sie spricht also mehr als drei Sprachen. Wie funktioniert das? Ist der Röstigraben ein Mythos oder eine Realität? Und: Wie reden eigentlich die Wissenschaften? Und was sagt unser Körper? In unserer Serie “Let’s talk” lernst du viele Facetten des Themas “Sprache” kennen. Eine tolle Art, die neuste Wissenschafts-Olympiade in der Schweiz zu begrüssen: die Linguistik-Olympiade!
Ist die Sprache also gar nicht das Problem? Wir haben die Frage an die Romandie-Arbeitsgruppe der Wissenschafts-Olympiaden gestellt. Für Quentin Wenger von der Physik-Olympiade war die Sprache nie ein wirkliches Hindernis: «Wenn wir zusammenkommen, wechseln wir natürlich auf Englisch, damit alle gleichberechtigt sind».
Ein helvetisches Rätsel: Die Sprache allein scheint die geringe Romandie-Präsenz nicht zu erklären.
“Ein helvetisches Rätsel: Die Sprache allein scheint die geringe Romandie-Präsenz nicht zu erklären.”
Es gibt noch Luft nach oben!
Die erste gute Nachricht: Aus unserer Statistik geht hervor, dass es in der Romandie bereits mehrere Gymnasien gibt, die besonders aktiv sind! Aus dem “Gymnase intercantonal de la Broye” in Payerne haben nicht weniger als 197 Jugendliche an ersten Runden teilgenommen, dazu 185 aus dem “Lycée-Collège des Creusets” in Sion und 164 aus dem “Gymnase de la Cité” in Lausanne.
Ausserdem haben wir herausgefunden, welche Kantone bei den Olympiaden am stärksten vertreten sind:
Was uns sofort aufgefallen ist: Es gibt viele Schulen, die wir noch überhaupt nicht erreicht haben! 75% der westschweizer Schulen machen kaum Gebrauch von unserem Angebot. Da gibt es noch haufenweise unausgeschöpftes Potenzial.
Roadshow 2022: Die Olympiaden erobern die Romandie!
Es gibt also noch viel zu tun! Was liegt da näher, als sich direkt an unsere besten Verbündeten zu wenden: die Lehrpersonen. Die Geschäftsstelle hat beschlossen, zusammen mit unseren Partnerorganisationen Schweizer Jugend forscht und Schweizerische Studienstiftung eine Roadshow 2022 zu organisieren. Alle drei Organisationen sind im Bereich der Begabungsförderung tätig und haben beschlossen, ihre Kräfte zu vereinen. 13 Schulen wurden bereits für die Roadshow ausgewählt und werden in Kürze kontaktiert. Fortsetzung folgt…
“ 13 Schulen wurden bereits für die Roadshow ausgewählt und werden in Kürze kontaktiert. Fortsetzung folgt…”
Dieses Jahr haben wir schon einmal zusammen mit der Stiftung Schweizer Jugend Forscht eine Schule besucht.
Das Konzept ist simpel: ein Tisch und ein Stuhl, eine Tasche voller Flyer und Gipfeli für den Austausch im Lehrerzimmer ;). Xénia und Stefano Aloise von der Studienstiftung werden mehrere Gymnasien besuchen, ausgestattet mit Kommunikationsmaterial wie der Zeitschrift WOLY und anderen Leckerbissen. Romandie, wir kommen!