20.10.2025

Thema

So fördern wir: Die Kantonsschule Schüpfheim

Talente gibt es nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch in Kunst, Musik oder Schauspiel. Die Kantonsschule Schüpfheim fördert die Schülerinnen und Schüler in diesen Bereichen ganzheitlich. Wir haben die Luzerner Schule im Entlebuch besucht, um zu erfahren, wie Talentförderung für musische Fächer aussehen kann.

Rektor, Lehrpersonen und Schülerin im Gespräch. (Quelle: Lara Gafner)

Die Kantonsschule Schüpfheim im Entlebuch. (Quelle: Lara Gafner)

Im Gespräch: Thomas Berset (Rektor), Esther Bucher (Talentkoordinatorin Musik), Roger Schnyder (Talentkoordinator Kunst und Design), Mara (Schülerin Talentbereich Kunst und Design). Fragen und Protokoll: Lara Gafner (Wissenschafts-Olympiade).

 

Herr Berset, Sie leiten eine Schule, die Wert auf Talentförderung legt. Was können Sie selbst besonders gut?

T.B.: Ich bin Biochemiker und kann megagut pipettieren! Ich zeichne und male auch gern. Seit ich hier arbeite, habe ich mir vorgenommen, das wieder aufzunehmen, die Kollegen reden mir da auch gut zu. Die Ölfarben stehen zuhause bereit.

Was macht die Talentförderung der Kantonsschule Schüpfheim einzigartig?

E.B.: Weil wir mit rund 200 Schülerinnen und Schülern klein sind und etwas abgelegen liegen, ist die Schule sehr familiär. Wir können uns in Ruhe auf das besinnen, was uns wichtig ist: Den Talenten nachgehen, dem Feuer nachgehen. Man kennt sich und sieht, was der Schüler oder die Schülerin braucht.

T.B.: Den Talentbereich Schauspiel gibt es sogar nur hier, gesamtschweizerisch. 

Der Talentbereich Schauspiel. (Quelle: Franca Pedrazetti)

R.S: Ausser dem Gymnasium Hofwil in Bern gibt es in der Schweiz keine andere Schule, die so individuelle Förderung im Gestalten anbietet. Das passiert in der Schule selbst, wir “outsourcen” das nicht.

Sie setzen also ganz schulinterne statt auf ausserschulische Angebote? 

R.S.: Ich hole für die Lehre auch mal Externe dazu, zum Beispiel entwickeln wir gerade einen Graffitiworkshop mit einem recht bekannten Künstler. Ich habe auch schon Jugendliche an Architekturbüros vermittelt, wenn ich gemerkt habe, dass ihnen das liegt.

T.B.: Es gibt verschiedene Arten von Talentschulen. Wir wollen nicht, dass der Bezug zur Schule zu kurz kommt. Im Sport ist traditionell viel extern, aber auch hier entwickeln wir uns weiter. Der Nachteil dieses Ansatzes ist, dass er mit unserem knappen Budget schwer zu finanzieren ist. Da braucht es Fantasie und Leute, die bereit sind, nicht nach 08/15 zu arbeiten.

(Quelle: Franca Pedrazetti)

R.S.: Wir können es uns nicht erlauben, träge in der Gegend rumzustehen. Wir müssen uns dauernd bewegen, vorwärts gehen und uns weiterentwickeln. Aber wir können noch so viel Fantasie haben - wir sind auch sehr auf die Politik angewiesen. Wenn die Politik zeigt, dass sie die Talentförderung wirklich ernst nimmt - indem sie nicht nur vor Wahlen darüber spricht, sondern Geld bereitstellt - macht sie etwas sehr Wichtiges und Nachhaltiges. Die Gesellschaft betrachtet Talentförderung als Luxus. Doch ein Talent ist ein Potenzial und Potenziale nicht zu entwickeln ist einfach dumm. Ich kann’s nicht anders sagen. 

Kann man Ihren Ansatz auch auf MINT-Fächer oder andere Schulfächer übertragen?

T.B.: Unser Bildungsmodell zur Talententwicklung kann man sicher allgemein anwenden, aber danach geht es sehr auseinander. Zum Beispiel bei der Frage, wie man Talent misst. Wer sagt, dass etwas besser gezeichnet ist als der Durchschnitt? Im Sport oder auch in den MINT-Fächern ist das einfacher. Im musischen Bereich ist es für Laien schwerer erkennbar - für Fachleute aber sehr wohl.

Die Kantonsschule Schüpfheim hat ein eigenes Bildungsmodell zur Talententwicklung. (Quelle: Lara Gafner) 

R.S.: Ich bin nicht dafür, dass man Talentförderung so global anschaut, aber eins ist allen Bereichen gemeinsam: Talentförderung basiert darauf, dass jemand wirklich etwas will und intrinsisch motiviert ist. 

Wie erkennen Sie denn die Talente für das Gymnasium Plus? Wie finden Schülerinnen und Schüler den Weg zu Ihnen? 

E.B. Grundsätzlich haben wir einen Auftrag für den Kanton Luzern, aber man kann sich mit mehr administrativen Aufwand auch ausserkantonal anmelden. Für den Talentbereich muss man Empfehlungen mitbringen. In Kunst muss man zudem eine Mappe mit bisherigen Arbeiten einreichen. Es gibt auch ein Schnuppern und ein Aufnahmegespräch.

M.: Ich wohne in paar Dörfer weiter und bin sowieso fürs Kurzzeitgymnasium hierhergekommen. Als ich im ersten Jahr gesehen habe, wie im Talentbereich gearbeitet wird, wollte ich wechseln. Ich finde es super, wie sehr man hier unterstützt wird, wenn man etwas Neues für sich entdeckt. 

Wie sieht die individuelle Talentförderung in Kunst und Design konkret aus?

R.S.: Jeder Schüler und jede Schülerin hat ein Atelier, einen sicheren Platz, der 7 Tage die Woche rund um die Uhr zur Verfügung steht, auf Anfrage auch in den Schulferien. Dort widmen sie sich ihren eigenen Arbeiten, manchmal gibt es auch gemeinsame Projekte oder ich gebe ihnen Aufträge.

Arbeit im Atelier. (Quelle: Franca Pedrazetti)

T.B.: Dieses Atelierkonzept kommt nicht aus dem Blauen heraus, die Inspiration kam von der Arbeitsweise an der Kunsthochschule, oder? So wie ich es wahrnehme, bewegen sich die Schülerinnen und Schüler im Talentbereich über dem Niveau eines Schwerpunktfachs Bildnerisches Gestalten. Das Denken ist viel weiter, als wären sie schon am Ende des Vorkurses.

R.S.: Daran arbeiten wir. Ich arbeite seit 20 Jahren an der Hochschule und bekomme mit, dass viele zu Beginn des Studiums gar nicht verstehen, worum es geht. Das passiert jenen, die von hier kommen, nicht. Ich bin dabei, die Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule Luzern zu intensivieren, damit man zum Beispiel den Vorkurs verkürzen kann, wenn man schon hier im Talentbereich war. Wir legen eine wichtige Basis. Vor allem können die Schülerinnen und Schüler im Talentbereich herausfinden, was sie wirklich wollen. Wegen des Geldes kann man nicht Kunst studieren, da muss man Feuer haben. 

Mara, haben Sie vor, später Kunst zu studieren?

M.: Eher nicht. Für mich ist es eher ein intensives Hobby, nicht das, womit ich mein Geld verdienen möchte. Ich fürchte, dass ich dann die Motivation verlieren würde. Innerhalb der Schule dürfen wir manchmal Sachen für andere Talentbereiche machen, das finde ich cool. Zum Beispiel durften wir beim Musical gestalterisch mitarbeiten. Das war eine gute Übung, um zu sehen, wie es sein könnte, Gestaltung als Beruf zu machen. Ich habe gemerkt, dass es eher nichts für mich ist, während andere es für sich entdeckt haben.

Arbeit im Atelier. (Quelle: Franca Pedrazetti)

Wie meistern Sie den Spagat zwischen Talentförderung und Allgemeinbildung?

E.B.: Durch die Strukturen, die wir anbieten. Talentklassen haben nur am Montag ganztags Schule und sonst am Nachmittag Zeit für ihr Talent. Aber grundsätzlich sind wir eine Maturitätsschule und das Ziel ist, in fünf Jahren die Matura zu schaffen. Wenn die Talentklassen abschliessen, sind sie ein Jahr älter, aber auch im Denken reifer als jene, die den ganzen Tag nach Stundenplan gelebt haben. Es ist eine Chance, sich in einem jungen Leben auf persönlicher Ebene zu entwickeln. Es ist auch ein fantastisches Alter, wo so viel passiert und sie wirklich auch Neues entdecken. Sie in diesen Jahren zu begleiten ist ein Geschenk und macht Spass. 

T.B.: Weil sie weniger Präsenzunterricht und mehr Selbststudium haben, werden die Talente von einem Lerncoach in Sachen Arbeitsorganisation unterstützt. Am schwierigsten ist der Spagat im Leistungssport. Da reden wir von 30 Stunden Training pro Woche neben der Schule, wobei wirklich die Gefahr besteht, dass die Schule wegbricht. Dem arbeiten wir aktiv entgegen, wir haben den Anspruch, dass die Kooperation von Schule und Leistungssport funktioniert.

E.B.: Weil die Schule so klein ist, merkt man so etwas schnell und kann auf Leute zugehen und ihnen Hilfe anbieten, auch durch externe Fachleute.

M.: Klar, während der Prüfungswoche an der Schule merkt man schon, dass das Talent ein bisschen kürzer kommt, aber weil man es sich frei einteilen kann, finde ich das nicht schlimm. Ich kann mir schon vorstellen, dass es im Sport, wo es Wettbewerbe gibt, schon zu Stress führen könnte. Im Atelier werde ich Stress eher los. Wir sind alle befreundet und es fühlt sich nicht an, wie etwas, das man tun muss. 

(Quelle: Franca Pedrazetti)

Was mögen Sie an der Kantonsschule Schüpfheim, das nichts mit Talentförderung zu tun hat?

M.: Ich find’s cool, dass die Schule klein ist. Man kennt die meisten und wird von den Lehrpersonen auf Augenhöhe behandelt. Wenn es ein Problem gibt, schauen wir es zusammen an. Es ist keine sehr strenge Schule mit steilen Hierarchien. 

T.B.: Alle, die hier hinkommen, sagen: “Das ist die erste Schule, wo ich sein kann, wie ich bin.” Weil alle ein bisschen schräg und angefressen von etwas sind. Der Klassengeist ist ganz toll und wichtig. Im Zwischenmenschlichen passiert auch sehr viel für die Talentförderung, das wir gar nicht messen können.

Schulalltag an der Kantonsschule Schüpfheim. (Quelle: Franca Pedrazetti)

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