17.07.2025

Freunde | Freiwilligenarbeit

So läuft’s ab: Das grosse Finale

Wer es ins Finale einer Wissenschafts-Olympiade schafft, hat schon einen weiten Weg hinter sich: Prüfungen, Lager, Workshops… Für die einen ist das Finale der krönende Abschluss ihrer Teilnahme am nationalen Wettbewerb, für die anderen ist es der Beginn eines internationalen Abenteuers. Im vierten Teil unserer Reise durch das Olympiaden-Jahr erleben wir, wie die Finalistinnen und Finalisten der Chemie- und Geographie-Olympiaden im Labor mitmischen oder Stadtviertel neu planen.

Im vierten Teil unserer Reise durch das Olympiaden-Jahr erleben wir, wie die Finalistinnen und Finalisten der Chemie- und Geographie-Olympiaden im Labor mitmischen...

...oder Stadtviertel neu planen.

Am Finale der Chemie-Olympiade, das eine Woche dauert, wird nochmal drei Tage trainiert, bevor am Donnerstag die theoretische und die praktische Prüfung anstehen.

Damit die Teilnehmenden des Geographie-Finals nach getaner Arbeit nicht einfach nur auf die Resultate warten, sondern auch noch etwas lernen können, nimmt sie Alfons Ritler, Geographielehrer an der Kantonsschule Solothurn und einer der Prüfungsautoren, auf eine Stadtführung.

Fotos Chemie-Olympiade: Lara Gafner und Freiwillige der Chemie-Olympiade

Fotos Geographie-Olympiade: Lara Gafner und Juliane Krenz.

“Die Leute sind super sympathisch, man lernt zusammen und das Erlebnis ist einfach cool”.

Freiwillige der Geographie-Olympiade am Abend des Finaltags.

Theorie und Praxis

“Wer von euch hat denn schonmal was von Koordinationschemie gehört?”, fragt Prof. em. Antonio Togni. Es ist ein Dienstagmorgen im April und auf dem Campus Hönggerberg der ETH Zürich scheint die Sonne, wovon man im fensterlosen Hörsaal allerdings nicht viel merkt. Togni rechnet nicht mit vielen erhobenen Händen, denn vor ihm sitzen nicht Studierende, sondern Mittelschülerinnen und Mittelschüler. Da er an der Ausbildung von Lehrpersonen beteiligt ist, weiss er, dass im Unterricht für dieses Thema selten Zeit bleibt. Als dann doch einige Jugendliche die Hände heben, nickt er anerkennend. 

Der Emeritus hält jedes Jahr eine Vorlesung für die Finalistinnen und Finalisten der Chemie-Olympiade und beantwortet in der Pause ihre neugierigen Fragen. 

“Die Chemie-Olympiade ist eine sehr wichtige Initiative, um schweizweit junge Enthusiasten in der Chemie zu fördern”, findet er.

Wer am Finale der Chemie-Olympiade teilnimmt, hat schon viel gelernt. Die besten Teilnehmenden der ersten Runde im September bereiten sich an der Universität Basel auf die zweite Runde im Januar vor. Wer sich dort fürs Finale qualifiziert, kann während zwei Wochenenden an der Universität Zürich und der EPFL üben. “Die Leute sind super sympathisch, man lernt zusammen und das Erlebnis ist einfach cool”, sagt Nancy vom Collège de Gambach in Freiburg, die dieses Jahr im Finale ist, nachdem sie es letztes Jahr immerhin bis zur zweiten Runde geschafft hat. Am Finale selbst, das eine Woche dauert, wird dann nochmal drei Tage trainiert, bevor am Donnerstag die theoretische und die praktische Prüfung anstehen.

Organisiert wird all das von Freiwilligen, meist von Studierenden, die vor ein paar Jahren selbst noch teilgenommen haben. Dieses Jahr ist der 22-jährige Yannik zum ersten Mal für das Finale verantwortlich, nachdem er letztes Jahr von seinem Vorgänger instruiert wurde. 

Er und die anderen Freiwilligen kümmern sich nicht nur darum, dass die Teilnehmenden etwas lernen, sondern auch um Schlafplätze in der Jugendherberge, Mittagessen in der Mensa und Sicherheit im Labor. Als am Dienstagnachmittag das erste Praktikum der Woche ansteht, achten die Freiwilligen genau darauf, dass niemand das Labor ohne Schutzbrille und Labormantel betritt. Die selbst mitgebrachten Kittel erzählen Geschichte über die Teilnehmenden, die sie tragen: 

Auf Luis’ Rücken sind lächelnde Moleküle zu sehen, die eine Freiwillige bei seiner letzten Teilnahme hinterlassen hat. 

Ruben, der einzige Berufsschüler im Finale, sticht aus dem vielen Weiss mit einem grauen Zweiteiler hervor, mit dem Logo der Lonza, wo er seine Lehre macht. 

Giulio und Carl-Philipps Labormäntel tragen das Logo der Internationalen Chemie-Olympiade 2024 in Saudi-Arabien, für die sie sich letztes Jahr qualifiziert haben. 

Wer dieses Jahr Gold gewinnt, darf an der IChO 2025 in den Vereinigten Arabischen Emiraten teilnehmen. “Der Druck ist da, es nochmal zu schaffen, aber wenn’s nicht sein soll, soll’s nicht sein”, meint Carl-Philipp. “Ich finde die Chemie-Olympiade ist einfach super interessant, weil man so viele neue Sachen lernen kann”, meint Carl-Philipp. Vor allem über Reaktionen, die auch für Anwendungen, beispielsweise in der Medizin, relevant seien. 

So läuft’s ab: Im Schuljahr 2024/2025 machen sich einmal mehr tausende junge Talente aus der ganzen Schweiz auf eine Reise, deren Dauer und Ausgang unbekannt ist: Die Teilnahme an einer Wissenschafts-Olympiade.  In einer Artikelserie begleiten wir deren Ablauf, von der ersten Runde (mehr darüber im ersten Teil) über Trainings und zweite Runden (in zweiten und dritten Teil) bis hin zum nationalen Finale und dem internationalen Wettbewerb. Während jeder Phase erleben die Teilnehmenden fachliche Förderung und soziale Begegnungen. Ein Blick hinter die Kulissen unserer Anlässe zeigt das freiwillige Engagement, das all das möglich macht. 

 

“Im Experiment heute geht’s um chemische Kinetik, also um Reaktionen und wie, vor allem wie schnell, diese ablaufen”, erklärt Silas, der Freiwillige, der am Dienstag für das Praktikum zuständig ist. 

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“Wir reduzieren Methylenblau, das eine tiefblaue Farbe hat, zum farblosen Leuko-Methylenblau durch Ascorbinsäure, auch bekannt als Vitamin C.” Mithilfe von Spektroskopie  sollen die Teilnehmenden sehen, wie die Lichtabsorption sich verändert, was Rückschlüsse darauf zulässt, wie viel von der Substanz schon reagiert hat. 

“Indem wir diese mit der verstrichenen Zeit korrelieren, können wir feststellen, wie schnell die Reaktion geschieht und von welchen Faktoren sie abhängig ist.”

Während die Teilnehmenden in Gruppen mischen und messen, sind Silas und weitere Freiwillige stets zur Stelle, wenn Fragen auftauchen, sei es nun eine inhaltliche Unklarheit oder ein gerissener Handschuh.

Mehrere Stunden später stolpern die Jugendlichen aus dem Labor heraus und reissen sich erleichtert seufzend die Schutzbrillen vom Gesicht. Übermässig stressig sei es nicht gewesen, findet Jaël von der Kantonsschule Alpenquai. Sie hätten einfach viel warten müssen zwischen den einzelnen Schritten, zum Beispiel bis jeweils die richtige Temperatur erreicht war, daher habe es lange gedauert. 

Ein bisschen langsam seien sie schon gewesen, erklärt Silas zurück im Hörsaal. Der Tag ist fast zu Ende, aber die Daten sind noch nicht ausgewertet. “Ich kann euch nicht zwingen, länger hier zu bleiben, aber ich bin absolut sicher, dass euch die Auswertung helfen würde, das Thema besser zu verstehen”, argumentiert Silas und zeigt auf eine Einkaufstasche in der vordersten Reihe. “Hier gibt’s Snacks. Ich mach all meine Datenauswertungen mit vielen Snacks!” 

Niemand geht, alle Teilnehmenden setzen sich in kleinen Gruppen zusammen und fangen an, ihre Rohdaten zu Kurven zu verarbeiten und diese mit Modellen zu vergleichen, um die Reaktion besser zu verstehen.

Um 18:00 klopft es an der Tür, das Reinigungspersonal möchte rein, der Saal war nur bis 17:00 reserviert.

Dass die Chemie-Olympiade die Räumlichkeiten der ETH Zürich, vor allem die begehrten Labors, überhaupt mitten im Frühlingssemester eine Woche lang nutzen kann, ist den Osterferien zu verdanken. Da die Biologie-Olympiade für ihre Finalwoche ebenfalls auf Labors angewiesen ist, allerdings an der Universität Bern, finden die beiden Finals seit eh und je in derselben Woche nach Ostern statt. Wer an beiden teilnehmen will, fährt am einzigen freien Tag der Biologie-Woche für die Chemie-Prüfungen nach Zürich. So hat es der Liechtensteiner David Hasler dieses Jahr gemacht. Sein Fazit: Es lohne sich, an mehreren Wissenschafts-Olympiaden teilzunehmen, aber zwei Finals gleichzeitig, das sei echt anstrengend. Dafür holte er sich nicht nur das Ticket zur IChO in Dubai, sondern auch zur Internationalen Biologie-Olympiade auf den Philippinen. 

In einem Tag um die Welt

Über Terminkollisionen mit den Finals anderer Wissenschafts-Olympiaden muss sich die Geographie-Olympiade keine Sorgen machen. Während diese alle zwischen Februar und Juni stattfinden, findet die Geographie-Olympiade ihren krönenden Abschluss im November. Die erste Runde findet nicht im Herbst statt, sondern im Mai. Die 20 besten von über 2500 Teilnehmenden qualifizieren sich direkt fürs Finale und das dazugehörige Vorbereitungslager im Schweizerischen Nationalpark, das von der Geoinformationsfirma ESRI  angeboten wird. Da dieses im Sommer stattfinden muss, kann das Finale gar nicht in der ersten Jahreshälfte stattfinden. Michael Jänichen, Präsident der Geographie-Olympiade und Geographielehrer am Campus Muristalden in Bern, sieht ausserdem einen Vorteil im grossen zeitliche Abstand zwischen dem nationalen Finale und der Internationalen Geographie-Olympiade (iGeo). “Wir möchten den Teilnehmenden signalisieren: Hier kommt etwas Grösseres auf euch zu und wenn ihr die Möglichkeiten nutzen möchtet, habt ihr auch die Gelegenheit, euch spezifischer darauf vorzubereiten und Wissenslücken zu füllen.”

Als die Finalistinnen und Finalisten an einem Samstagmorgen im November 2024 im Campus Muristalden eintreffen, ist noch nichts entschieden. Acht Stunden später steht fest, welche vier jungen Talente die Schweiz Ende Juli an der iGeo 2025 in Thailand vertreten werden. Die Teilnehmenden haben kurz Zeit, ein warmes Gipfeli zu essen, während der Rektor der Schule und die Freiwilligen der Olympiade sie willkommen heissen, dann geht es auch schon zur Sache.

Zuerst schreiben sie während 1.5 Stunden eine schriftliche Prüfung mit offenen Fragen: Vergleiche zwischen Fluss-  und Gletscherlandschaften, Effekte des Klimawandels, Ursachen von Migration oder auch die Wirtschaftsgeographie des Silicon Valley.

“Wir orientieren uns an den 12 Themenfeldern der iGeo und versuchen, die Fragen möglichst breit zu streuen”, erklärt Michael Jänichen. Auf eine kurze Pause folgt der Multimedia-Test: Eine halbe Stunde für 20 Multiple-Choice-Fragen über Bilder, Diagramme oder Videos.

Nach dem Mittagessen spazieren die Teilnehmenden für die Feldarbeit ins nahe gelegene Quartier Murifeld, wo in Zukunft ein sogenannter “Superblock” geplant wird, eine ganz autofreie Zone.

Ausgestattet mit Karte und Klemmbrett werden die Teilnehmenden für zwei Stunden zu Stadtplanerinnen und Stadtplanern.

“Sie setzen sich erstens mit bereits vorhandenen Verkehrsberuhigungsmassnahmen auseinander. Zweitens denken sie darüber nach, wer vom geplanten Superblock betroffen ist. Drittens müssen sie die entscheidende Durchgangsstrasse so planen, dass sie innerhalb von zwei Jahren vollständig verkehrsfrei wird”, fasst Michael Jänichen die Aufgabenstellung zusammen. 

Diese ist so gestaltet, dass Teilnehmende, die den Stadtteil schon kennen, keinen Heimvorteil haben.

Tatsächlich geht am Ende des Tages die Auszeichnung für die beste Feldarbeit nicht an einen Berner, sondern an einen Liechtensteiner.

Damit die Teilnehmenden nach getaner Arbeit nicht einfach nur auf die Resultate warten, sondern auch noch etwas lernen können, nimmt sie Alfons Ritler, Geographielehrer an der Kantonsschule Solothurn und einer der Prüfungsautoren, auf eine Stadtführung.

Die Teilnehmenden folgen ihm über den Muristalden zum Bärengraben hinunter und von dort über die Aare in die Altstadt.

Anhand von alten Bildern und Karten zeigt er auf, wie sich die Stadt aufgrund verschiedener Prozesse im Verlauf der Zeit entwickelt hat.

Drei Prüfungen an einem Tag - ist das nicht zu viel? “Von den Anforderungen her ist es halt olympisch - beim Triathlon ist es auch alles an einem Tag”, erklärt Michael Jänichen. “Die Leute gehen auch mit unterschiedlicher Entspannung an die Sache ran. Es ist immer noch eine Freizeitveranstaltung.” Viele Schülerinnen und Schüler nehmen zwar mit der ganzen Klasse an der ersten Runde teil, aber wer danach weitermacht, tut dies freiwillig. “Ich war überrascht, dass ich weitergekommen bin, denn ich habe die erste Runde ohne Vorbereitung im Unterricht gemacht. Top 20 der Schweiz ist nicht schlecht. Ich dachte: Bangkok kann man ja versuchen,” erzählt Mattia von der Kantonsschule Solothurn. “Ich dachte mir, wenn ich schon weitergekommen bin, kann ich es auch versuchen, denn nach Thailand zu gehen, wäre schon cool”, findet auch Lia vom Gymnasium Kirchenfeld. “Aber andere hier haben noch mehr Leidenschaft fürs Fach als ich, dann ist es auch gut, wenn diese weiterkommen."

Das Finale auf einen Tag zu beschränken, habe auch praktische Vorteile, so Michael Jänichen. “Man reist morgens an und abends weiss man, was Sache ist.” Im Gegensatz zur Finalwoche der Chemie-Olympiade enthält der Finaltag bei der Geographie kein Training mehr, doch die Finalistinnen und Finalisten haben ja einige Monate zuvor alle am Sommerlager in Zernez teilgenommen. “Es ist eine coole Woche, sehr interessant, sehr lehrreich”, erzählt Linus von der Kantonsschule Obwalden. "Wir hatten eine Einführung in das Thema der Geoinformationssysteme, haben selber Daten erhoben und analysiert. Wir haben zum Beispiel untersucht, wie sich das Totholz im Nationalpark entwickelt.” Wenn jemanden die Arbeit mit der kartographischen Software von ESRI wirklich packe, könne daraus auch beispielsweise eine Maturaarbeit werden, so Michael Jänichen. Neben der fachlichen Förderung diene das Sommerlager auch dem sozialen Austausch. “Am Anfang der Woche kommen irgendwelche 17-Jährige mit einem Koffer an, und am Ende der Woche verabschieden sie sich als Gruppe”, erzählt Johann Hermann, der im Sommerlager mitgeholfen hat. Zur Vorbereitung liess er die Teilnehmenden alte Prüfungen durchgehen und Quizzes auf der Plattform “Kahoot” lösen - “für ein spielerisches Wettbewerbsfeeling”. Michael Jänichen erklärt, dass diese Vorbereitung bei den Themenfeldern besonders wichtig sei, die zwar bei der Geographie-Olympiade vorkommen, nicht aber in den Lehrplänen. Dazu gehören beispielsweise je nach Kanton oder Schule Tourismusgeographie  oder “regionale Identitäten”.

Geschätzte Freiwillige

Ausschlafen nach dem langen Prüfungstag? Fehlanzeige! Am Freitag der Finalwoche stehen die Teilnehmenden der Chemie-Olympiade schon um 05:30 auf. Sie sind nämlich eingeladen, den Sitz des Wissenschafts- und Technologieunternehmens Merck in Buchs zu besuchen. Aysan, die die Teilnehmenden auf ihrem Ausflug zu Merck begleitet hat, nutzt die Zugfahrt, um Rückmeldungen zur Prüfung einzuholen.

Die Theorie war vielen zu mathematisch, nur Eric, der auch an der Mathematik-Olympiade teilnimmt, kritzelte “OMG YES MATH!” auf die Prüfung.“ Sie fanden es unerwartet schwierig und sie haben sich etwas verloren gefühlt”, wird Aysan später bei der Vereinsversammlung erzählen. “Die Prüfung bezog sich nicht auf das, was unterrichtet wurde, denn die Prüfungsautoren kannten die Übungen nicht, die die Teilnehmenden gelöst haben.” “Es ist eine Frage der Mentalität”, wird ein Vereinsmitglied argumentieren. “Die Olympiade ist nicht wie die Schule, wo geprüft wird, was unterrichtet wurde.” 

Als die Teilnehmenden bei Merck ankommen, werden sie mit Badges, Sicherheitsbrillen und Laborkitteln ausgerüstet und erhalten einen Überblick über die Tätigkeiten der Firma, die auch zu den Finanzpartnern der Schweizer Chemie-Olympiade gehört.

Nach einer kurzen Kaffeepause geht’s in zwei Gruppen weiter in die Laboratorien, wo die Jugendlichen den Weg eines Moleküls von der Idee bis zum fertigen Produkt verfolgen können.

Sie haben auch die Gelegenheit, Fragen zu stellen oder sich während der gemeinsamen Mittagspause bei Merck weiter auszutauschen. Als der freie Nachmittag beginnt, kehren einige direkt zurück nach Zürich, während andere in die entgegengesetzte Richtung fahren: Die Liechtensteiner Teilnehmenden geben eine spontane Führung durch Schaan und Vaduz.

Auf dem Hönggerberg werden währenddessen die Prüfungen bewertet. Jede Aufgabe der Theorieprüfung wird jeweils von zwei Freiwilligen unabhängig voneinander bewertet, danach werden die Punkte verglichen. 

Ein zweites Team kümmert sich um die praktische Prüfung, die aus einer Titration und einer Synthese bestand. “Wir haben ihnen eine Probe von einer Substanz gegeben und sie mussten herausfinden, was es ist. Dazu mussten sie genau messen, wie viel von einer anderen Substanz sie hinzugeben müssen, bis sich die Farbe verändert. Sie bekommen Punkte für die Genauigkeit der Messungen und dafür, dass sie die Substanz korrekt identifizieren”, erklärt Silas. Bei der Synthese waren die Ausbeute und Reinheit des Produktes wichtig, sowie das korrekte Ablesen eines Dünnschichtchromatogramms. Weitere Punkte gibt es für die Beantwortung zusätzlicher Theoriefragen. Koordiniert werden die Bewertung und die die Preisverleihung am nächsten Tag von Daniel. Der langjährige Freiwillige ist auch an OlyExams beteiligt, einer Schweizer Software fürs Erstellen und Bewerten von Prüfungen, die an diversen internationalen Wissenschafts-Olympiaden genutzt wird.

Im Hauptgebäude der ETH Zürich ist am Samstagmorgen viel los, während die Finalistinnen und Finalisten, teilweise begleitet von ihren Familien, für die Preisverleihung eintrudeln. Die Hallen und Gänge sind voller Stände, an denen Teilnehmende des Nationalen Wettbewerbs von Schweizer Jugend Forscht ihre preisgekrönten Maturaarbeiten vorstellen.

Darunter auch Anjalika vom Institut Florimont in Genf, die vor zwei Tagen noch die Finalprüfungen der Chemie-Olympiade geschrieben hat. 

Mehr darüber, wie die Wissenschafts-Olympiade mit ihren Partnerorganisationen Schweizer Jugend Forscht und der Schweizerischen Studienstiftung zusammenarbeitet, erfahren Sie im Herbst im Bonusteil der Serie “So läuft’s ab”.

 

Sie lässt ihren Stand kurz unbeaufsichtigt und schleicht sich in den Hörsaal, um auch etwas von der Preisverleihung mitzukriegen. Diese beginnt mit einem Vortrag von Prof. Patrick Steinegger, der von seiner Forschung zu Radioaktivität am Paul Scherrer Institut erzählt und ein Uran-Erz herumreicht, das unter einer kleinen Schwarzlichtlampe grünlich fluoresziert.

Danach richtet Fabian, der Präsident der Chemie-Olympiade, einige Worte des Dankes an einen Mann, der mit seinen fast 90 Jahren den Altersdurchschnitt des Hörsaals ziemlich nach oben zieht: Maurice Cosandey.

Der ehemalige Chemielehrer aus Pully ist der Gründer der Schweizer Chemie-Olympiade, aber nicht nur, denn die vier Schüler, mit denen er 1987 an die IChO in Ungarn reiste, waren die erste Schweizer Delegation überhaupt an einer Wissenschafts-Olympiade. Ausgewählt hat einer seine Kandidaten damals, als es noch keine nationalen Wettbewerbe gab, per Fingerzeig im Chemieunterricht.

Mehr über die Geschichte von Maurice Cosandey gibt’s hier und hier zu lesen.

 

Mittlerweile entscheidet natürlich die Rangliste am Finale, welche vier schlauen Köpfe die Schweiz international vertreten dürfen. Zum ersten Mal wird dieses Jahr auch Liechtenstein mit einer vierköpfigen Delegation an der IChO vertreten sein. Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner dürfen für Auswahl und Vorbereitung in der Schweiz teilnehmen, reisen aber als eigene Delegation an internationale Wissenschafts-Olympiaden.

Bisher war das Fürstentum an der IChO eher durch einzelne Schülerinnen und Schüler vertreten, letztes Jahr zum Beispiel durch Giulio, der sich jetzt wieder qualifiziert hat: “Die Erfahrung war grossartig, nicht nur die Chemie, sondern die Chance sich mit Gleichgesinnten aus aller Welt auszutauschen”. Dieses Jahr will er viel lernen, um seine Leistung an der IChO zu verbessern, aber auch, um sich auf sein Studium an der ETH Zürich vorzubereiten. “Die Chemie-Olympiade kann einen echt motivieren, einer wissenschaftlichen Laufbahn nachzugehen, was wichtig ist, weil wir gut ausgebildete Wissenschaftler brauchen, um die Probleme von heute und morgen zu lösen.”

Giulio ist nicht der einzige, der sich an diesem Tag zum zweiten Mal qualifiziert. Drei der vier Schweizer, die nach Dubai reisen werden, waren schon letztes Jahr in Saudi Arabien mit dabei. Als Ruben, Carl-Philipp und Stanisław realisieren, dass sie erneut zusammen in die Wüste reisen werden, gibt es Umarmungen, Handschläge und Gratulationen.

Etwas überraschender kommt die Qualifikation für die vierte Schweizerin, Maya, die dieses Jahr zum ersten Mal überhaupt an der Chemie-Olympiade teilgenommen hat. “Am Anfang war es viel harte Arbeit”, wird sie später während eines Trainings für die IChO über ihre Teilnahme an der Chemie-Olympiade erzählen. “Aber mit der Zeit hatte ich mehr Spass, ich habe angefangen mehr zu verstehen und es kam alles zusammen.”

Mittlerweile freue sie sich regelrecht auf die Theorieprüfung an der IChO. “Man muss nicht alles verstehen, wenn man anfängt, man kann unterwegs viel lernen und es ist es wert, mitzumachen. Die Mentoren der Chemie-Olympiade haben sehr geholfen.” Mit ihrer Wertschätzung für die Freiwilligen ist sie nicht allein. Giulio nennt als Highlight der Finalwoche das gemeinsame Abendessen mit den Freiwilligen am Freitag. Während der Preisverleihung am Samstag stehen auf einmal einige Teilnehmende auf.

“Wir haben ein kleines Dankeschön”, erklärt Luis, während andere anfangen, Postkarten mit Grüssen an die Freiwilligen zu verteilen. “Das war sehr unerwartet und eine sehr, sehr tolle Geste!”, sagt Aysan. “Das zeigt uns, dass sich die Zeit, die wir in das Ganze investieren, völlig lohnt.”

In der hier verlinkten Medienmitteilung kann man nachlesen, wie die Gewinnerinnen und Gewinnern der Chemie-Olympiade die IChO erlebt haben. 

Mehr als Stadt, Land, Fluss

Auch bei der Geographie-Olympiade laufen die Korrekturen auf Hochtouren, während die Teilnehmenden ausser Haus sind.

Der Multimedia-Test mit den Multiple Choice Fragen lässt sich fast automatisch auswerten. Juliane Krenz, Umweltwissenschaftlerin an der Universität Basel und seit Jahren Freiwillige der Geographie-Olympiade, kümmert sich darum, während sechs andere Freiwillige die schriftliche Prüfung bewerten. Die grösste Herausforderung für die Geographie-Olympiade liegt laut Michael Jänichen weniger beim Korrigieren, sondern eher beim Erstellen der Prüfungen. "Einfach ein Foto einzufügen und zu fragen, wie dieser Stein heisst, mit vier Antwortmöglichkeiten, ist nicht kompetenzorientiert und widerspricht dem Geist der Prüfungsdidaktik. Wir wollen ja eigentlich nicht Wissen abfragen, sondern schauen, ob die Teilnehmenden in der Disziplin beweglich sind. Wir kriegen auch kritische Rückmeldungen von Lehrpersonen.” Manchmal finde er die Fragen der Prüfungen selber nicht ganz gelungen, doch dem kleinen Verein fehlen die Ressourcen. Hilferufe an Kolleginnen und Kollegen seien bisher leider verhallt.

Dass es nicht einfach ist, sich als Lehrperson auch noch freiwillig zu engagieren, kann Michael Jänichen verstehen. “Ich hab gerade vier Stapel mit Korrekturen und ich habe ehrlich gesagt keine Lust auf eine weitere Prüfung”, sagt er. Doch im Gegensatz zu den Schulprüfungen muss er den Stapel, der an diesem Nachmittag vor ihm liegt, nicht allein bewältigen. Wie bei der Chemie-Olympiade teilen sich die Freiwilligen die Aufgaben auf und arbeiten nach dem Vier-Augen-Prinzip. Sven Voigt und Anna-Lena Hatzold, die 2018 selbst an der iGeo teilgenommen haben, bilden an diesem Tag eine der Zweiergruppen.

Im Vergleich zu den älteren Olympiaden wie Chemie, die fast vollständig von ehemaligen Teilnehmenden getragen werden, sind diese bei der Geographie-Olympiade noch in der Minderheit. Michael Jänichen sieht ein durchmischtes Team auch als Vorteil: “Wenn Lehrpersonen, ehemalige Teilnehmende, Forschende und andere Fachpersonen zusammen bewerten, vereinen wir unterschiedliche Expertisen und pädagogische Kompetenzen.”

Als es draussen langsam eindunkelt, kehren die Teilnehmenden von der Stadtführung zurück und warten in der Cafeteria des Campus Muristalden auf die Preisverleihung. 

Kurze Zeit später tragen vier von ihnen Goldmedaillen um den Hals und schwere Atlanten in den Rucksäcken. Alex vom Gymnasium Bäumlihof kämpft damit, den Preis für den ersten Platz - einen riesigen Globus - nach Basel zu transportieren.Alex hat es auf den ersten Platz geschafft und das beste Ergebnis bei der schriftlichen Prüfung erreicht: “Ich habe das so gar nicht erwartet. Manches bei der Prüfung wusste ich noch aus dem Unterricht. Beim Multimedia-Test musste ich ein bisschen raten, einiges konnte ich aber auch herleiten.” Das beste Resultat im Multimedia-Test hatte Sorin vom Gymnasium Kirchenfeld. Nachdem er 2022 und 2023 auch schon im Finale war, hat er es nun endlich geschafft, sich für die iGeo zu qualifizieren.  

Der einzige Liechtensteiner im Finale, Florian, hat zwar keine Goldmedaille gewonnen, aber Silber. Aufgrund dieser Leistung wird das Fürstentum Liechtenstein zum allerersten Mal auch an der Internationalen Geographie-Olympiade vertreten sein. Wie es Florian und der Schweizer Delegation dort ergangen ist, erfahren Sie ab August hier.

 

Nach der Preisverleihung erklärt die Delegationsleiterin Joelle Thoma den Gewinnerinnen und Gewinnern, was jetzt auf sie zukommt. Jede Delegation muss ein Poster vorbereiten für den Posterwettbewerb, der neben dem Einzelwettbewerb zur iGeo gehört. Ausserdem finden Vorbereitungstage statt, mit Fachpersonen zu den Themen, über die die Teilnehmenden noch mehr wissen möchten. Möglich ist auch eine zusätzliche Teilnahme an der Europäischen Geographie-Olympiade Anfang Juli. Bis Weihnachten müssen sie entscheiden, ob sie sich auf diese Reisen begeben wollen. 

“Ich war noch nie so weit weg und das von anderen organisiert zu bekommen, ist natürlich cool”, sagt Julian von der Kantonsschule Seetal. “Ich habe immer gesagt: Wenn ich Geld bekommen würde fürs Lernen, würde ich es machen - und das ist hier mehr oder weniger das!”, meint Elia vom Gymnasium Neufeld. Er habe vor dem Finale noch ein bisschen gelernt, vor allem über Geologie und über Entwicklungszusammenarbeit. “Der kompetitive Kampfgeist ist bei mir immer da - zumindest ein bisschen!”

Michael Jänichen, der an diesem Abend die Resultate verkündet und Preise verteilt, würde sich selber nicht als kompetitiv bezeichnen. “Ich finde, der Wettbewerb müsste eigentlich gar nicht sein”, sagt er. 

Mit der Geographie-Olympiade verfolgt er ein anderes Ziel. “Ich möchte nur, dass möglichst viele Jugendliche ein gutes, anregendes, spannendes Verhältnis zur Geographie haben und damit konfrontiert werden, dass Geographie so viel mehr ist, als die Namen von Flüssen und Pässen auswendig zu lernen.” An Elternabenden werde er oft gefragt, ob man das denn nicht mehr mache. “Ich sage dann: Nein, wir arbeiten thematisch. Die Öffentlichkeit hat einfach ein verzerrtes, auf Topographie ausgerichtetes Bild von der Geographie.” Die Geographie-Olympiade und auch die mediale Berichterstattung dazu könne helfen, mit Stereotypen aufzuräumen. “Die Schüler erzählen zu hause davon und dann liest man vielleicht noch in der Zeitung, was in unseren Prüfungen vorkommt, und denkt: Wow! Die machen ja ganz andere Sachen, als ich dachte!”

Im nächsten Teil steigen wir in den Nachtzug und setzen uns ins Flugzeug. Wir folgen den Schweizer Delegationen an die Internationale Philosophie-Olympiade in Italien und an die Internationale Mathematik-Olympiade in Australien. Jetzt den Newsletter abonnieren oder auf Instagram oder LinkedIn folgen, um nichts zu verpassen! 

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