20.12.2021

| Tips

Beflügelte Begabungen

Wie gelingt Begabtenförderung an Schulen? Drei Jugendliche und zwei Lehrpersonen der Alten Kanti Aarau geben uns ihre Antworten. Ein Interview.

5 Menschen, 5 Begabungen: Die Jugendlichen interessieren sich besonders für Cello, Biologie und Informatik. Die Lehrpersonen ihrerseits für guten Unterricht.

Priska: Du programmierst und schreibst literarische Texte. Was magst du lieber?

Ich mag beides. Schreiben ist eher eine Gefühlssache, Programmieren hingegen beruht auf Logik. Beim Schreiben bin ich gerne unterwegs, setze mich in einen Zug, das inspiriert mich. Manchmal fällt mir der Wechsel zwischen den beiden Welten schwer, sie sind sehr unterschiedlich.

 

Julian: Du spielst Cello und komponierst Musik. Was war zuerst?

Ganz klar das Musikmachen. Für die Schule habe ich dann zum ersten Mal komponiert. Heute mag ich Musiktheorie und Gehörbildung. Aber grösstenteils spiele ich Cello, letztes Jahr zum Beispiel spielten wir mit dem Jugendsymphonieorchester Aargau Wagner. Das war ein tolles Erlebnis.

 

Jakob: Du interessierst dich für Biologie. Arbeitest du lieber im Labor oder am Tisch mit Theorie und Kopf?

Sehr lange ist mir das praktische Arbeiten eher schwergefallen. Inzwischen habe ich mich mit dem Labor angefreundet und mag es fast schon lieber. Aber es braucht natürlich beides: Man lernt zuerst Neues und kann es dann umsetzen. Am Anfang fand ich Botanik mega spannend und wusste gar nicht, dass ich mich auch noch für andere Bereiche der Biologie interessieren könnte. Mittlerweile finde ich fast alles cool und wenn ich mich schon für ein Thema spezialisieren müsste, wüsste ich gar nicht welches. 

 

Priska (links) mit ihren Teamkolleginnen an der European Girls' Olympiad in Informatics.

 

Herr Girod und Frau Bauder: Die drei haben uns von ihren Talenten erzählt. Was können Sie besonders gut?

 

Bauder: Ich spreche sehr gut Englisch und Französisch. Ich mag es, neue Sprachen zu lernen und neue Kulturen zu entdecken. Neugriechisch zum Beispiel finde ich sehr toll. 

 

Girod: Ich bin gut darin, Schülerinnen und Schüler zu motivieren und zu begeistern. Das rede ich mir zumindest ein (schmunzelt). Siehst du das auch so, Jakob? (Anm. Redaktion: Jakob besucht den Biologie-Unterricht bei Herrn Girod)

 

Jakob: (schmunzelt) Ja, das kann ich bestätigen. 
 

 

Die Alte Kanti Aarau gewinnt den Schulpreis 2021 der Wissenschafts-Olympiade. Die Schule nutzt auch rege das Angebot unserer Partnerangebote, der Schweizerischen Studienstiftung und Schweizer Jugend forscht. 

 

Herr Girod, sie leiten an der Schule das Nawimat, eine Spezialabteilung. Hier machen Schüler*innen mit, die sich sehr für Naturwissenschaften, Mathematik und Technik interessieren. Welche Projekte haben Sie im letzten Jahr besonders beeindruckt? 

Es ist schwierig, ein einzelnes Projekt herauszupicken, weil unsere Schüler*innen so viele tolle Dinge machen bei ihren Maturaarbeiten. Spontan kommt mir die Arbeit von vier Jugendlichen in den Sinn, die ein Schweinebein künstlich am Leben erhielten. Sie haben es über Stunden durchblutet und mit Sauerstoff versorgt. Dafür haben sie selber Geld organisiert und eine Fachperson hinzugezogen. Ich war am Anfang skeptisch. Sie sagten mir: Doch, Herr Girod, wir wollen es versuchen. Sie haben sich so ins Zeug gelegt, dass es auch wirklich funktionierte. Das ist stellvertretend für ein Projekt, wo eine Sonderleistung erbracht wurde, vom Einsatz und auch von der Begeisterung her. 

 

Frau Bauder: Warum ist es Ihnen so wichtig, die Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern? Reicht eine gute Allgemeinbildung nicht aus? 

Bauder: Es ist eine Tatsache, dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die sehr talentiert sind. Sie haben Leidenschaften, eigene Interessen und es wäre schade, wenn wir diese als Schule einfach verkümmern lassen würden. Wir möchten die Leidenschaften bei den Jugendlichen stärken, damit sie über sich hinauswachsen können. Es gibt auch Anreize vom Kanton, begabte junge Menschen zu fördern (siehe Artikel). Es geht auch darum, eine gewisse Exzellenz zu erreichen. Eine Zusammenarbeit mit den Wissenschafts-Olympiaden ist für uns hier super. Wichtig ist auch das Netzwerk: Jugendliche lernen bei Wettbewerben andere Menschen kennen, die ähnlich ticken. Das beflügelt.

 

Girod: Als Lehrer unterrichten wir an der Kanti eigentlich für die 90%, die normal begabt sind. Die 10% die mehr können und wollen, können wir nicht individuell fördern, auch im Rahmen eines Schwerpunktfaches nicht. Deshalb arbeiten wir so gerne mit den Wissenschafts-Olympiaden zusammen, weil sie genau diese Förderung bieten können. Ein herzliches Dankeschön also!

 

Musik, Sport und Wissenschaft: Die Alte Kanti Aarau fördert in vielen Bereichen. Bild: Alte Kanti Aarau

 

Wer in Sport und Musik sehr begabt ist, wird gefeiert. Wer in den Wissenschaften sehr gute Leistungen zeigt, wird eher skeptisch betrachtet. Teilen Sie diesen Eindruck? 

Julian: Ich teile den Eindruck eigentlich nicht. Als Musiker habe ich es eher erlebt, dass Schulen, die sehr auf die Förderung von Wissenschaften setzen, schauen müssen, dass Sport und Musik nicht zu kurz kommen. Ich denke nicht, dass es ein schwerwiegendes Ungleichgewicht gibt.

 

Jakob: Musik begeistert ja viele Menschen. Bei Biologie hingegen ist das anders. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich mich ein bisschen zurückhalten muss, weil die Anderen meine Begeisterung nicht unbedingt teilen. Aber das ist sehr abhängig vom Umfeld, in dem man sich bewegt.
 

 

 

Jakob, Finalist der Bio-Olympiade 2021 ist gerne in der Natur unterwegs. Bild: privat

 

 

Priska: Egal ob Musik oder Wissenschaft: Man hebt sich von Anderen ab, zuerst durch das vertiefte Interesse und später dann auch durch das Wissen. Ein Beispiel: Ich löse in der Mittagspause Aufgaben für die Informatik-Olympiade und bin voll begeistert, weil mir die Lösung eingefallen ist. Ich versuche, meinen Freunden zu erklären, weshalb ich so glücklich bin, aber sie können es nicht wirklich nachvollziehen. Daher finde ich es wichtig, dass es die Olympiaden gibt. Sie schaffen ein Umfeld, in dem man sich mit seinem spezifischen Interesse aufgehoben fühlt. Auch nach der Olympiade bleibt man vernetzt: Zum Beispiel über einen Discord-Server, auf dem immer etwas läuft. Gut in Erinnerung bleibt mir auch die Velotour im Frühling. Ich habe einige Menschen getroffen, die heute gute Kolleginnen und Kollegen von mir sind, auch wenn ich sie nicht wöchentlich treffe.   

 

Interview: Mirjam Sager

 

Priska Steinebrunner ist Teilnehmerin der Informatik- und Philosophie-Olympiade und Autorin beim Treffpunkt Text. Jakob Laimberger machte bei der Biologie-Olympiade mit. Julian Schnetzler nimmt am kantonalen Spitzenförderungsprogramm für Musiker teil. Monika Bauder ist Sprachlehrerin und koordiniert die Begabtenförderung. Stephan Girod unterrichtet Biologie und leitet das Nawimat. 

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